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Gedanken zu einem Ausflug nach Basel

Fondation Beyeler, Kunstmuseum Basel, Caravaggio, Jeff Wall, Dan Flavin, Renée Sintenis, Sophie Taeuber-Arp, Meret Oppenheim, Irène Zurkinden, Picasso

Wäre Basel eine Person, sie wäre schnell beschrieben: höflich, kultiviert, von herber Eleganz, dabei auf eine gleichsam unnahbare Weise distanziert. Nicht während ihres großen Auftritts zur Art Basel, wenn sie sich zudem kosmopolitisch und international gibt, sondern im unspektakulären März lockt einmal wieder die Fondation Beyeler mit einem großen Namen in die Schweizer Grenzstadt. Aber auch die Messehallen warten mit einem Künstler auf, den man dort so nicht vermutet hätte. „Caravaggio und seine Zeit“ ist die Schau so lapidar wie großzügig betitelt. Sie wirbt mit Originalwerken nicht nur des lombardischen Künstlers, sondern auch seiner Zeitgenossen, die ähnlich bekannte Namen tragen: Peterzano, Carracci, Gentileschi oder Guercino. Mit Skepsis betreten wir den düster verhangenen Eingangsbereich. Schnell wird klar, dass es klug war, die Erwartungen nicht allzu hoch angesetzt zu haben. Ungelenk und provisorisch wirken die höchstens drittklassigen Bilder, die brav an die mit billigem schwarzem Stoff verkleideten Wände gehängt wurden. Schlechte Farbkopien hat man in Ermangelung so vieler Originale, die doch nötig gewesen wären, um den großsprecherischen Ansatz erfüllen zu wollen, einfach dazwischengesetzt. Unförmig gestaltete Texttafeln wirken wie von Schülerhand verfasst. Die wenigen Originale gehen in diesem Durcheinander völlig unter, obwohl man sie sogar durch protzige Absperrkordeln, wie sie bei fragwürdigen Events zum Einsatz kommen, kenntlich gemacht hat. Das Glanzstück der Ausstellung ist sicherlich das Gemälde „Junge, von einer Eidechse gebissen“. Es ist ein tiefgründiges, vielschichtiges Werk, das auch von der brillanten Handwerklichkeit Caravaggios zeugt. Der schmerzhafte Schrecken sitzt dem Knaben ins Gesicht geschrieben, während er theatralisch die Schultern nach oben zieht. Lasziv fällt ihm seine Gewandung über die nun entblößten Arme. Keck hat er sich eine der rosafarbenen Rosen ins Haar gesteckt, die vor ihm in einer gläsernen, wassergefüllten Vase auf dem Tisch stehen. Bis heute geben jene Jünglinge Rätsel auf, die sich so oft in Caravaggios Oeuvre der frühen Jahre finden und anscheinend für einen ganz bestimmten Käufer- und Betrachterkreis geschaffen worden waren.


Aber selbst dieses Meisterwerk mag sich in solch einer Umgebung nicht zu behaupten. Auch wenn man dem bekanntermaßen immer wieder zu Gewalttaten neigenden Künstler aus moralischen Gründen gern bestraft gesehen hätte, diese Schau hier in Basel hat er nicht verdient. Das Strafmaß fällt eindeutig zu hoch aus. Wie notwendig die ernsthafte Präsentation sowie eine klug durchdachte museale Ästhetik als angemessener Rahmen für die Kunst sind, konnte man in den Messehallen erfahren, wo man all das schmerzlich vermissen musste.

Stets aus dem Vollen schöpfend, dabei niemals überladen oder unangebracht gibt sich am nächsten Tag die Fondation Beyeler. Seit unserem letzten Besuch ist einiges geschehen: Der ergänzende Neubau nimmt bereits erkennbare Formen an, zudem hat man die Glanzstücke der Dauerausstellung neu kuratiert. Unter dem Motto „Honey, I rearranged the collection“ zeigen sich die Meisterwerke der Sammlung in anderen Konstellationen und Nachbarschaften als bisher. Luftig und elegant gehängt, erhält jedes Werk seinen Raum und korrespondiert doch mit seinem Gegenüber. Der Hauptgrund unseres Besuches ist jedoch die Sonderausstellung zu Jeff Wall, der als Begründer der inszenierten Fotografie gilt. Markenzeichen des aus Kanada stammenden Künstlers sind keine Abbildungen der gesehenen Realität, sondern großformatige, aus einer Vielzahl von präzisen Einzelaufnahmen vielschichtig und subtil bis ins kleinste Detail hinein durchkomponierte Fotografien. Sowohl von Alltagsszenen als auch ikonischen Motiven der Kunstgeschichte lässt Wall sich inspirieren, wobei seine Werke nicht selten wie Film-Stills wirken. Anhand der berühmten Dialeuchtkästen, in denen Bild- und Lichtquelle miteinander verschmelzen, lässt sich das Artifizielle des künstlerischen Ansatzes gut studieren. 11 Räume hat die Fondation den aus aller Welt angereisten 55 Arbeiten des Künstlers zur Verfügung gestellt. In den großen lichtdurchfluteten Sälen, deren Glasfronten eher wie eine Membran das Innen vom Außen trennen, dürfen die oft überdimensionalen Bilder ihre ganze Wirkung entfalten. Trotz aller Dynamik dominiert doch stets der Wille des Künstlers, nichts dem Zufall zu überlassen. Durch das Planen selbst kleinster Nuancen forciert er den Entzug jeglicher Lebendigkeit innerhalb seiner Bildwerke und verwandelt die Fotografie nahezu in Konzeptkunst. Mir erscheint diese Vorgehensweise, als würde die kreative Freiheit an der Leine geführt. Und so verlasse ich zwar staunend, jedoch innerlich unberührt die Fondation. Wie immer winken wir dem lustigen Schneemann des Künstlerduos Fischli/Weiss noch einen Abschiedsgruß zu, der in seinem von Solarenergie betriebenen gläsernen Gefrierschrank seit 2020 im schönen Garten des Museums sommers wie winters wohnen darf.

Zum Abschluss statten wir dem Kunstmuseum noch einen Besuch ab. Stets nehmen sich diese Begegnungen aus wie Treffen mit Freunden, die man schon länger kennt und deshalb so schätzt: Der nüchterne Eingangsbereich, die kargen steinernen Treppen, und dann zur Begrüßung der großartige Mädchenreigen von Ferdinand Hodler, an dem wir dieses Mal jedoch vorübergehen, um in den Neubau zu gelangen. Auch hier geht es um Licht und dessen Inszenierung. Dan Flavin, dem Pionier der Minimal Art, wurde weitläufig Museumsfläche zu Verfügung gestellt. Mit Leuchtstoffröhren schrieb er Geschichte, indem er mit seinen Lichtwerken die Farbe aus dem Kontext der Malerei löste und sie in den dreidimensionalen Raum übertrug. Sachlichkeit, Reduktion, Serialität sowie die Verwandlung von Alltagsgegenständen in Kunstwerke waren die Ingredienzien einer Strömung, die damals als radikal galt. Heute wirken die farbdurchfluteten Säle ansprechend, ihre Innovationskraft haben sie jedoch durch hundertfache Nachahmer mittlerweile verloren.


Wir schlendern zurück in den Altbau. Auch hier wurde einiges neu gehängt und geordnet, um den Blick stets wach und neugierig zu halten. Gerade im Sammlungsbereich des 20. Jahrhunderts fallen nun vermehrt die Künstlerinnen ins Auge: Renée Sintenis‘ zauberhafte Fohlen, die zierlich und elegant durch eine schmale Glasvitrine galoppieren oder auch Sophie Taeuber-Arps blaue Punkte, die ganz unbefangen aus der Reihe tanzen. Begeistert schrieb die Künstlerin an ihre Schwester: „Eine Dame hat es gekauft, als erstes modernes Bild (ihrer Sammlung).“ Marguerite Hagenbach kaufte jedoch nicht nur dieses Bild. Viele Jahre später, nach Sophies Tod, heiratete sie sogar deren Mann Hans Arp.


Ein ganzer Raum des Museums ist mittlerweile der sehr besonderen Frauenfreundschaft von Irène Zurkinden und Meret Oppenheim gewidmet. Beide engagierten sich politisch durch ihr künstlerisches Schaffen, indem sie sich der Gruppe 33 anschlossen. Die Gruppierung, die sich am 10. Mai 1933 als Konsequenz auf die Bücherverbrennungen in Berlin gegründet hatte, positionierte sich antifaschistisch und stand in Protest gegen die konservativen Tendenzen der Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten. Der schönste Ausdruck ihrer Freundschaft findet sich in dem Porträt das Zurkinden von Oppenheim gemalt hat. Im rosa Kleid mit Federkragen und schwarzer Kappe auf dem grauen Haar, hält die Künstlerin mit ernsthafter Geste eine Orange in der Hand. Die vieldeutige Frucht bereichert das besonders aufregende Farbenspiel des Bildes, welches noch zusätzlich durch das komplementär eingesetzte Grün an der Kopfbedeckung gesteigert wird. Nicht homogen, sondern in vielen subtilen Nuancen erfolgte der Farbauftrag. Keinen Millimeter muss sich dieses Porträt hinter dem von Picasso geschaffenen Pierrot verstecken, der nur einen Raum weiter mit rosafarbener Melancholie seinen Gedanken nachsinnt.


https://www.fondationbeyeler.ch

https://kunstmuseumbasel.ch

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