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Worte für die Kunst

Texte, Aufsätze, Bildbeschreibungen und Katalogbeiträge

Atelierbesuch bei Kai Klahre und Jan ­Gemeinhardt

„Nürnberg! du vormals weltberühmte Stadt! Wie innig lieb ich die Bildungen jener Zeit! Wie ziehen sie mich zurück in jenes Jahrhundert, da du, Nürnberg, die lebendigwimmelnde Schule der Kunst warst, und ein recht fruchtbarer, überfließender Kunstgeist in deinen Mauern lebte und webte: Wie oft hab ich mich in jene Zeit zurückgewünscht!“

Kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert schickten zwei junge Studenten namens Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck diese Stoßseufzer gen Himmel. „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ nannten die beiden Frühromantiker ihr Büchlein, das 1796 anonym erschien und neben viel innovativem Gedankengut eben auch zu einer literarischen Wiederentdeckung der Kunststadt Nürnberg führte, deren Blüte die beiden Literaten – ganz Kinder ihrer Zeit – natürlich in der Dürerzeit verorteten. ...

Gedanken zu einem Besuch der Frankfurter Ausstellungen „Rubens. Kraft der Verwandlung“ und „Basquiat. Boom for real“

Barock und Pop, High and Low, Kunst und Kitsch – nichts scheint im Moment die (Kunst)welt so sehr zu faszinieren wie die Zusammenführung von scheinbar unvereinbaren Gegensätzen. Der letzte große Coup dieser Art fand vergangenes Jahr in den großen Flagshipstores einer der berühmtesten Luxustaschenfirmen statt, als Jeff Koons neben anderen weltberühmten Meisterwerken auch Rubens’ dynamische Jagdszenen auf den vinylgetränkten Canvas prägen ließ.

Gesellte sich Rubens im Sommer 2017 zu Jeff Koons, kann man den Barockkünstler in Frankfurt noch bis Ende Mai 2018 in einer ähnlich ungewohnten Gesellschaft bewundern. In den beiden großen Kunstinstitutionen der Mainmetropole werden gerade zwei sehr unterschiedliche Künstler mit den fulminanten Einzelausstellungen „Rubens. Kraft der Verwandlung“ und „Boom for real“ gefeiert: Peter Paul Rubens (1577-1640), der barocke Virtuose par excellence, im Städelmuseum und Jean-Michel Basquiat (1960-1988), das enfant terrible der 1980er Jahre, in der Schirn. ...

Bildbeschreibung von Jan Asselijns „Reiter am Brunnen in einer Felsenkluft“ und Nicola Samoris „MeM“

Rätselhaft geht es zu in Jan Asseljins Gemälde „Reiter am Brunnen in einer Felsenkluft“, das nach 1648 entstanden ist. Nur partiell beleuchtet erschließt sich dem Betrachter der felsig-verschlungene, höhlenartige Schauplatz. Ein vornehmer Herr hat hier Rast eingelegt um sich und seinem nicht minder vornehmen Pferd ein wenig Erholung am Brunnen zu verschaffen. Prächtig gekleidet steht er in dekorativer Seitansicht, die den Glanz und trefflichen Faltenwurf seines kostbaren roten Reisemantels ganz besonders zur Geltung bringt. Auf sorgfältig frisierten Locken sitzt ein hochaufragender schwarzer Hut, mit einer gelben Schleife gewagt verziert. Ein schlichter weißer Kragen schmiegt sich zwischen Wams und Kinn. Eng anliegende Beinkleider und Sporen an den Schuhen sowie ein schmaler Degen komplettieren die Reisegarderobe.

 

Vertraut und in menschlicher Kommunikationshaltung hat sich das Pferd seinem Herrn zugewandt und scheint ihm aufmerksam zu lauschen. Auf seinem Rücken trägt es einen bequemen Sattel. Reiter und Tier legen augenscheinlich weite Strecken zurück. ...

Katalogtext zur Ausstellung „Full house“ von Cornelia Schleime

Cornelia Schleimes neue Werkreihe unterstreicht die herausragende Bedeutung dieser preisgekrönten deutschen Figurenmalerin:

Unter dem Rand eines schwarzen Zylinders blickt eine androgyne Schönheit überlegen und doch versonnen in die Ferne. Das bereits entzündete Streichholz hält sie nonchalant in der rechten Hand.

Angesichts des feurigen Gegenstandes löst ihre Coolness ein kleines Unbehagen aus. Um den Hals trägt sie dekorativ aufgefächert ein ganzes Kartenspiel. Ihren Kopf umflattern elegante weiße Tauben. Sie gibt selbstbewusst die Rolle eines Zauberkünstlers, der allein die Spielregeln kennt. Das Werk (Abb. 1) trägt den Titel der Ausstellung: „Full house“.

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In ihren aktuellen Gemälden lässt Cornelia Schleime eine ganze Armada höchst individueller Figuren aufmarschieren, die einer Phantasiearmee entsprungen scheinen. Auf Antlitz und Oberkörper beschränkt, werden die nahezu porträthaft ausgebildeten Gesichter kontrastreich von opulentem, phantastischem Kopfschmuck umrahmt, der Schmuck und Schutz zugleich ist. Ob die Damen und Herren, aufgrund ihres bisweilen noch sehr jungen Alters, dieses Schutzes bedürfen, muss dahingestellt bleiben. ...

Einleitungstext zur Graphikmappe „Böse Blumen“

So schwer ins Herz mich trafen
Des Frühlings Glanz und Glut,
Dass ich in heißer Wut
Auf Blumen schlug, um die Natur zu strafen.

 

Charles Baudelaire verdeutlicht bereits durch die Wahl des Titels seines berühmten Gedichtbands „Les Fleurs du Mal“ dass es sich nicht um bunte, bescheidene, betörende oder blühende sondern eben um böse Blumen handelt, die dementsprechend behandelt werden müssen.

 

So wie das literarische Werk scheinbar Vertrautes aus einem völlig anderen Blickwinkel beschreibt und behandelt, so ungewöhnlich gehen die hier vertretenen Künstler mit der vorgegebenen Thematik um. Die höchst heterogene Bandbreite reicht von tatsächlichen stilllebenartigen Blumendarstellungen bis hin zu einer an Magritte erinnernden Denkweise, die sich vom gesetzten Motivbegriff völlig emanzipiert. …

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